Wir können es selbst kaum glauben, als wir die Tage, die wir in Rumänien verbracht haben, zusammenzählen. Fast einen Monat lang haben wir uns durch dieses wunderbare Land treiben lassen. Wir werden nicht nur die traumhafte Natur in und um die Karpaten, sondern auch die Herzlichkeit der Menschen, die wir erfahren durften, vermissen. Und – eine Mahlzeit ohne Palinka können wir uns mittlerweile kaum noch vorstellen.
Rumänien macht uns den Abschied nicht leicht. Im Hollywood Rumäniens (der Stadt Brasov) erkunden wir nicht nur eine malerische Altstadt, sondern profitieren auch von guter Infrastruktur und damit noch einmal von ausgezeichneter rumänischer und internationaler Küche. Auf unseren zwei Gasflammen in unserem Fahrzeug kochen wir zwar gut und gerne, aber wir genießen es einfach auch ab und an, die lokale Küche zu testen und uns in einem Restaurant verwöhnen zu lassen.
Brasov wird in Rumänien übrigens mit Hollywood in einem Atemzug genannt, da über der rumänischen Stadt der Schriftzug „Brasov“ in riesigen Buchstaben schwebt. Genau wie in Hollywood Hills … oder besser gesagt fast wie. Mit Hollywood hat die Stadt ansonsten natürlich wenig gemeinsam.
Unseren letzten Tag in Rumänien verbringen wir entlang der serbisch-rumänischen Grenze, am so genannten „Eisernen Tor“, einem imposanten Taldurchbruch der Donau. Das Wetter zeigt sich von seiner besten (herbstlichen) Seite und wir entscheiden uns spontan für eine Bootsfahrt. Spontane Entscheidungen sind ja bekanntlich die Besten und wir werden nicht enttäuscht. In der Nachmittagssonne brausen wir mit einer Hand voll einheimischer Touristen über die Donau. Ein rumänisches Ehepaar schließt uns gleich so in ihre Herzen, dass sie uns zum Abschied nicht nur ihre Telefonnummern, sondern auch eine Flasche Wein zustecken. Letztere zaubern sie aus ihrem Kofferraum mit dem Hinweis: „Damit ihr Rumänien in guter Erinnerung behaltet!“. Wie könnten wir auch anders!
Von Rumänien aus geht es für uns weiter nach Bulgarien. Im Dreiländereck Serbien – Rumänien – Bulgarien überqueren wir die Grenze. Bereits die letzten Kilometer vor dem Grenzübergang rollen wir an einer schier endlosen Schlange an wartenden LWKs und ihren geduldigen Fahrern vorbei. Natürlich – ganz im rumänischen Stil – auf der Gegenfahrbahn. Die reicht locker für uns und den Gegenverkehr. Mit Lichthupe und freundlichem aber bestimmten Gestikulieren weisen wir die entgegenkommenden Autos einfach darauf hin, dass wir auch auf ihrer Fahrbahn fahren und folgen den rumänischen Fahrzeugen vor uns. Der Gegenverkehr soll ja schließlich noch die Möglichkeit haben auf den Standstreifen oder in den Graben auszuweichen. Mit einem Grinsen schauen wir uns an und stellen fest, dass wir uns der rumänischen Fahrpraxis sehr gut angepasst haben.
Am rumänisch – bulgarischen Grenzübergang angekommen stellen wir und viele andere Fahrer fest, dass von den drei mit einer grünen Ampel als geöffnet gekennzeichneten Spuren, zwei geschlossen sind. Das führt zu temperamentvollen Rangiermanövern – bevorzugt von Transportern mit Hängern oder einfacherer gesagt Chaos auf der einzigen geöffneten Spur.
Irgendwann gelangen wir zu einem Schalter, an dem wir unsere Ausweise und unsere Fahrzeugpapiere abgeben. Wir werden gebeten weiterzufahren – zum nächsten Schalter – ohne unsere Papiere. Wir verfolgen im Rückspiegel wie unsere Dokumente den Weg zu Schalter Nummer zwei über diverse Grenzbeamte finden. Der zuständige Beamte an Schalter Nummer zwei prüft alles skeptisch und weist uns darauf hin, dass unser Fahrzeugschein nicht echt sei. Wir haben ihm versehentlich eine Kopie vorgelegt, die wir aus Sicherheitsgründen mitführen. Offensichtlich eine ziemlich Gute. Auf die Frage, ob er das Original sehen möchte, heißt es, nein – nicht nötig. Wir reisen also mit unserem kopierten Fahrzeugschein nach Bulgarien ein bzw. erstmal weiter zu Schalter Nummer drei. Hier bezahlen wir 6 Euro Maut für eine Brücke über die Donau, die offensichtlich nicht in der Online-Vignette, die wir vorab gelöst haben, enthalten ist. Nach Schalter Nummer drei, viel mehr Zeit als veranschlagt und mittlerweile im Dunklen reisen wir also tatsächlich nach Bulgarien ein.
Bulgarien ist für uns ein Transit-Land und liegt auf unserer Route Richtung Süden. Wir wollen das Land innerhalb von zwei Tagen durchqueren, um von hier aus die Grenze nach Nordmazedonien zu passieren. Soweit der Plan. An Tag zwei entdecken wir mitten im bulgarischen Nichts eine Leckage in unserem Kraftstoffsystem. Bei laufendem Motor tropft im Sekunden-Takt Benzin auf den Asphalt und unser Fahrzeug riecht, als hätte es ein Benzin-Bad genommen. Pannen kommen immer ungelegen, aber Benzin in nicht unbeträchtlicher Menge zu verlieren, macht uns Sorge. Die Ingenieure in uns bewahren aber einen klaren Kopf und finden heraus, dass ein Teil der Rücklauf-Leitung unseres Tanks schlichtweg versprödet ist.
Wir benötigen also ein Ersatzteil. Leider nicht irgendeins, sondern einen speziellen Formschlauch und damit ein Original Mercedes-Benz Ersatzteil. Im nächstgrößeren Ort steuern wir diverse Werkstätten an. Google preist uns erfreulicherweise eine beachtliche Auswahl an. Leider entpuppen sich fast alle als temporär geschlossen, nicht mehr existent oder absolute „Hinterhof-Klitschen“. Bei der Werkstatt von Lydmil haben wir ein gutes Gefühl und halten an. Immerhin hängt ein Bosch-Service Zeichen am Zaun. Das hat aber sicherlich wenig zu sagen. Audi, BMW oder Mercedes Logos - gerne auch alle zusammen - dekorieren hier in Bulgarien fast jedes Garagentor.
Lydmil spricht etwas Englisch und ist bereit uns sofort zu helfen. Wir verbringen einen geselligen Nachmittag in seiner Werkstatt und verfolgen, wie sich alle Mitarbeiter der Werkstatt nacheinander unter unser Fahrzeug legen, um anschließend mit ihren Handys aufgeregt zu telefonieren. Man erklärt uns, dass man versucht, unser Ersatzteil zu beschaffen. Wir drücken uns währenddessen in der bulgarischen Mittagssonne einfach selbst die Daumen. Schnell wird klar, was wir erwartet haben: ein Original-Ersatzteil gibt es für uns weder heute noch in absehbarer Zeit. Vielleicht in der Hauptstadt, Sofia, aber dorthin müssten wir noch etwa 200km fahren.
Wir nehmen daher dankend Lydmils Angebot an, zu improvisieren. Und improvisieren sieht in diesem Falle so aus.
Da es in der Stadt, in der wir gestrandet sind, keinen sicheren Platz für uns für die Nacht gibt, sind wir dankbar, als Lydmil uns zudem anbietet, die Nacht im Hof seiner Werkstatt zu verbringen. Wir überlegen nicht lange, sagen ja und genießen eine ruhige Nacht. So nimmt ein Tag mit viel Aufregung doch noch ein entspanntes Ende.
Sofia statten wir am nächsten Tag übrigens doch noch einen Besuch ab. Unser Ersatzteil finden wir leider in der bulgarischen Hauptstadt nicht und auch sonst ist unser Besuch enttäuschend. Sofia ist groß, laut und hat wenig Charme. Was uns in Erinnerung bleibt, sind die unzähligen „windigen“ Import/Export Händler, in den Vororten Sofias. Hauptaugenmerk liegt hier wohl auf dem Import ( … von hochwertigen Fahrzeugen aus dem europäischen Ausland).
Am Abend lernen wir Martin, Wohnmobilvermieter aus Berlin kennen. Er ist gerade in Sofia, um sein geklautes Wohnmobil, was von der bulgarischen Polizei in der Stadt gefunden wurde, abzuholen und wieder nach Deutschland zu überführen. Was für eine Gute-Nacht-Geschichte. Am nächsten Morgen wachen wir in unserem gefrorenen (!) Dachzelt auf. Tagsüber hatten wir noch 25 Grad. Den Temperatursturz hätten wir über Nacht nicht erwartet. Kurzum: Bulgarien bleibt uns nur in mäßig guter Erinnerung.
Also: auf zur Grenze nach Nordmazedonien, unserem nächsten Ziel und der angebliche Geheimtipp des Balkans. Zum zweiten Mal auf unserer Reise verlassen wir nach der Schweiz somit die Europäische Union. So entspannt, wie Grenzübertritte in und aus der Schweiz sind, soll die Einreise nach Nordmazedonien für uns leider nicht werden.
Die Ausreise aus Bulgarien verläuft glatt, die Einreise nach Nordmazedonien nicht. Man unterstellt uns, dass wir mit gefälschten Dokumenten einreisen möchten. Im Speziellen: einer weißen, selbst ausgedruckten internationalen Versicherungskarte. Die, da ist sich der nordmazedonische Grenzbeamte ganz sicher, heißt nicht nur „grüne Karte“, sondern ist auch „grün“. Von der Farb-Umstellung der grünen Karte auf eine weiße Karte im Jahr 2020 will er nichts wissen.
Je länger wir mit sachlichen Argumenten versuchen zu verhandeln, desto genervter und ungemütlicher wird der Beamte. Die Diskussion gipfelt darin, dass er plötzlich gar kein Englisch mehr versteht. Wir landen daraufhin in einem verlassenen Hinterstübchen und sollen eine total überteuerte lokale Versicherungs-Police für unser Fahrzeug kaufen – von ihm direkt ohne Rechnung und per Barzahlung versteht sich. Als wir darauf bestehen, dass wir die Vertretung unserer Versicherung in Nordmazedonien anrufen möchten (die Nummern aller Ländervertretungen stehen auf der „grünen“ Karte) überlegt er kurz und weist uns dann grimmig an: „Go!“. Wir beide gucken uns erstaunt an und fragen uns: „Zurück nach Bulgarien?“ oder „nach Nordmazedonien?“. Wir dürfen also nach guten 3 Stunden an der Grenze doch noch einreisen.
Wir müssen gestehen, dass wir zwischenzeitlich an uns und auch unserer Reisevorbereitung gezweifelt haben. Hätten wir tatsächlich eine grüne Karte – also auf grünem Papier - irgendwo beantragen und mitnehmen müssen? Wie peinlich, wenn wir das verschwitzt hätten. Gretas Eltern unterstützen aus Deutschland und vernetzen uns mit ihrem lokalen Versicherungsvertreter. Was wir bis jetzt verschwiegen haben, ist: all das hat sich an einem Freitag Spät-Nachmittag, an dem natürlich niemand mehr in Deutschland erreichbar ist, ereignet. Nach einem Telefonat mit dem Experten wissen wir: wir haben alles richtig gemacht. Die „grüne Karte“ ist seit über zwei Jahren weiß und kann auch in digital an der Grenze vorgezeigt werden. Wir hatten wohl einfach nur Pech an der Grenze.
Unsere Begegnung mit der nordmazedonischen Polizei verläuft dafür wie im Bilderbuch. Wir folgen der Empfehlung des Auswärtigen Amtes und melden uns als Ausländer, die individuell durch das Land reisen und nicht in Hotels oder Pensionen unterkommen, bei der Polizei. Natürlich pflichtgemäß innerhalb von 24 Stunden nach unserer Einreise. Auf der örtlichen Wache spricht niemand Englisch. Wir haben Glück, dass ein tschechischer Austausch-Polizist temporär hier im Einsatz ist, der für uns übersetzt. Die Sprachbarriere hindert die nordmazedonischen Beamten nicht daran, uns äußerst freundlich und geduldig, beim Ausfüllen der Meldepapiere zu unterstützen. Zum Abschied bekommen wir sogar noch eine kurze Führung durch die Wache. Fotos dürfen wir hiervon nicht machen. Daran halten wir uns natürlich.
Nach dem Trubel der Einreise, beschließen wir, die ersten Tage im Land gemütlich angehen zu lassen. Nordmazedonien, so haben wir gelesen, soll ausgezeichneten Wein anbauen. Das wollen wir natürlich nicht ungeprüft lassen. Schnell sind wir uns einig, die einheimischen Weine können sich sehen lassen. Besonders gut schmeckt uns ein kräftiger Rotwein namens „Vranec“ - in Kombination mit dem deftigen nordmazedonischen Essen (Fleisch, Gemüse und Käse in rauen Mengen vom Grill an Olivenöl und frischen Kräuter) einfach gut.
Dazu herzliche Winzer, die uns allesamt anbieten, auf Ihren Weingütern zu übernachten. So teilen wir uns einige Nächte unseren Schlafplatz mit wilden Hunden und Katzen in der Abgeschiedenheit der schier endlosen Weinberge.
Oft müssen wir in Nordmazedonien an die Mongolei denken. Natürlich gibt es hier keine Nomaden, Jurten und wilden Pferde, aber dafür endlosen Weiten und imposante Bergformationen am Horizont. Und da es in Nordmazedonien mehr Berge gibt als wir erwartet haben, können wir unsere Blicke oft in die Ferne schweifen lassen.
Dich interessiert, wie genau es in der Mongolei aussieht? Dann schau doch mal in unseren Blog-Beitrag „Rallye Mongolia“.
Besonders in Erinnerung bleibt uns die Anfahrt zu einem kleinen Kloster namens Treskavec, das hoch oben auf einer Felsformation thront. Einspurig schlängelt sich eine Straße so steil die Berglandschaft empor, dass wir die Anfahrt von einer halben Stunde fast ausschließlich im ersten Gang bewältigen. Immerhin ist die Straße asphaltiert.
In Nordmazedonien ist es keine Schwierigkeit, sich auch abseits asphaltierter Straßen zu bewegen. Ca. 85% des Landes sind Gebirge. Der kleine Balkanstaat hat stolze 34 Berggipfel über 2000m. Die Infrastruktur im Land ist schwach und die Armut der Bevölkerung an vielen Stellen nicht zu übersehen. Viele Wege abseits der Städte sind im besten Fall geschottert, oft jedoch gar nicht präpariert. Insbesondere die kleinen Bergdörfchen sind nur über Tracks zu erreichen. Also – auf ins Offroad-Paradies! Für 18 Kilometer brauchen wir so zum Beispiel an einem Tag über 4 Stunden und sind froh, ein voll geländegängiges Fahrzeug zu haben.
Nordmazedonien ist ein Binnenstaat - Küste gibt es hier also keine. Dafür große Seen, die es mit einer klassischen Küste durchaus aufnehmen können. Der Ohridsee ist einer von ihnen. Den Namen des Sees habt Ihr vielleicht schon einmal im Zusammenhang mit Perlen gehört. Eine bekannte Trägerin der Ohrid-Perlen war nämlich die Queen. Außerdem findet man in Nordmazedonien das weltweit beste Opium. Letzteres nehmen wir lächelnd zur Kenntnis, haben es aber natürlich nicht überprüft. Aber zurück zum Ohridsee.
Den Staub der Pisten waschen wir uns hier wieder aus unseren Haaren und Klamotten. Mit über 5 Millionen Jahren ist der Ohridsee einer der ältesten Seen der Erde und sehr sehenswert. Das Wasser ist nicht nur noch überraschend warm für die Jahreszeit, sondern auch glasklar. Entlang des Ufers gibt es für uns viel zu entdecken.
Der Ohridsee liegt zum größten Teil in Nordmazedonien, aber auch zu einem kleinen Teil im Nachbarland Albanien. Genau hierhin geht es für uns in den kommenden Tagen. Auf den nächsten Grenzübertritt freuen wir uns jetzt schon… Bis dahin genießen wir noch unsere Zeit in einem Land, das unserer Meinung völlig zu Recht als Geheimtipp des Balkans bezeichnet wird.
Greta // 5. November 2022 // am Ufer des Ohridsees
Spannend wie bisher auch zu lesen und ich freue mich an euren Abenteuern und bereichernden Begegnungen mit Landschaften und Menschen. Gute Fahrt weiterhin und herzliche Grüße Jürgen
Schöne Bilder. Auch im Großformat auf dem großen Bildschirm. Der Fotograf hat einfach ein gutes Auge für den richtigen Zeitpunkt und die Stimmung.
Christian
Wieder eine lebendige Schilderung eurer Tour - weiter eine gute Zeit und immer einen Lydmil auf dem Weg.
😉 GLG Anne