Vor über 10 Jahren habe ich im Fernsehen eine Reisereportage über Laos mit Anthony Bourdain gesehen. Den begnadeten Koch gibt es mittlerweile leider nicht mehr. Mein Wunsch, eines Tages durch das kleine Land am Mekong zu reisen, hat dafür all die Jahre überlebt.
Doch nur über Umwege sind wir - zu meinem Glück! - in Laos gelandet. Von Bhutan aus reisen wir zunächst nach Nepal aus. Ursprünglich wollten wir hier noch einmal in die Berge. Leider hatten wir jedoch eine fiese Lebensmittelvergiftung im Gepäck. Ein Souvenir aus Bhutan. Dem Land, in dem alles heilig ist, außer wohl unsere deutschen Mägen.
Nach ein paar Tagen in Kathmandu können wir wieder essen und trinken und vor allem selbst bestimmen, wann beides wieder kontrolliert unsere Körper verlässt. Fortschritt! Dennoch fühlen wir uns nicht fit genug für die großen Höhen in Nepal und ändern so kurzfristig unseren Plan. Entspannung statt Anstrengung - wir fliegen nach Laos! Mount Everest sehen wir (schon ein wenig wehmütig) immerhin noch einmal aus dem Flugzeug.
Nachdem wir Bhutan auf einer festgelegten Route mit Guide besuchen mussten, freuen wir uns nun wieder auf mehr Flexibilität und Spontanität. Wir wollen auf zwei und mehr Rädern durch Laos. Frischen Wind um unsere Nasen, bitte!
Wir landen in Vientiane, der verschlafensten Hauptstadt Asiens, die wir dieses Jahr gesehen haben. Oder sind wir vielleicht doch in Frankreich gelandet? Der Anzahl französischer Touristen nach zu urteilen, könnte man dies tatsächlich meinen. Die Franzosen haben in Ihrer ehemaligen Kolonie in jedem Fall eindeutige Spuren hinterlassen. Wir finden einen Arc de Triomphe, dazu Baguettes, Croissants und Eclairs und guten Kaffee an jeder Ecke - himmlisch!
Neben Frankreich hat auch Buddha seine Spuren in der Stadt hinterlassen. Auch, wenn wir ihn dieses Jahr schon in vielen Farben und Formen gesehen haben, so sieht er doch jedes Mal wieder anders aus. In Laos finden wir ihn selten alleine und immer mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen.
Mit diversen Rollern fahren wir von Vientiane aus erst in den Norden des Landes und dann Richtung Süden. Jan braucht nicht lange und manövriert uns sicher durch den laotisch chaotischen Verkehr. Der kennt nur eine einzige Regel und die lautet: es gibt keine Regel!
Außer eine Hupe, die sicherheitshalber einfach immer eingesetzt wird. Vier Personen auf einem Roller, Fahrzeuge auf der falschen Fahrbahnseite, Fahrzeuge ohne Brems- oder Blinklichter sind keine Seltenheit. Irgendwie werden wir ganz selbstverständlich Teil des Chaos und genießen es richtig, uns auf diesem Weg fortzubewegen.
Für längere Distanzen wechseln wir von zwei auf mehrere Räder und nutzen lokale Busse. Was - so finden wir rückblickend - die viel anstrengendere Art der Fortbewegung war. Chaos in Laos - auch im Bus! Als Ausländer kauft man sich zwar einen Sitzplatz im Bus. Der ist aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem Local, der Null Englisch und gerne auch mal keine Zeichensprache versteht, belegt. Macht nichts, ein anderer Platz ist bestimmt frei und die Touristen können ja untereinander klären, wer nun auf wessen Platz sitzt. Haben alle Sitzplätze gefunden, macht sich der Bus auf die Reise. Die ersten ein bis zwei Stunden der Fahrt hält er in regelmäßigen Abständen auf der Straße an und sammelt weitere Fahrgäste ein. Die nicht nur Taschen und Reissäcke (sehr beliebt!), sondern auch lebendes Gepäck wie Hühner oder Hunde mit in den Bus bringen. Zum Glück gibt es eine Klimaanlage - eine natürliche Klimaanlage. Die Türen und Fenster bleiben einfach auch während der Fahrt geöffnet. Schön, denn so hören auch Leute, die nicht im Bus mitfahren, die laotisch chaotische Musik, mit der der Busfahrer alle Fahrgäste beschallt. Ist der Bus dann irgendwann und irgendwie komplett gefüllt, denken nur die Touristen an Bord, dass er nun endlich ohne weitere Pausen durchfährt. Doch - Fehlanzeige.
Im Gang werden nun Plastikhocker verteilt, auf denen weitere Fahrgäste Platz nehmen. Jetzt, wo der Bus so richtig voll ist, merken die Touristen, dass sie viel zu viel getrunken haben und gerne zur Toilette möchten. Ihr könnt Euch vorstellen, wie ein Toilettenstop abläuft - laotisch chaotisch. Zur Krönung drängen sich während der Toilettenpause Straßenverkäufer in den Bus, die allerlei wohl und unwohl riechende Speisen an die Reisenden bringen wollen. Blöd nur, dass nun noch mehr Leute im Bus sind als vorher und natürlich der Fahrgast in der allerletzten Reihe ein Huhn am Spieß kauft. Wie durch ein Wunder findet jeder wieder zu seinem Platz und die Verkäufer den Weg nach draußen. Weiter geht die Fahrt! Neben Musik jetzt auch mit Huhn am Spieß. Fantastische Kombination bei mittlerweile 40 Grad Außentemperatur.
Nach schier endlosen neun Stunden Fahrt fährt der Bus nun nur noch mit einer Hand voll erschöpfter Touristen in den Busbahnhof ein. All die jenigen, die auf den Plastikhockern im Gang saßen, oder die mit Reissäcken und Hühnern zugestiegen sind, sind bereits wieder einzeln irgendwo mitten auf der Straße ausgesetzt worden. Wir zählen zu denen, die bis zum bitteren Ende an Bord waren und fühlen uns in etwa so:
Nach jeder Busfahrt waren wir uns übrigens sicher: wir fahren keinen Bus mehr in Laos! Nie mehr! Auf gar keinen Fall! Aber spätestens am nächsten Morgen wurde daraus: Ach, so schlimm war es eigentlich gar nicht. Vielleicht probieren wir es doch noch mal. Irgendwie war es ja schon eine Erfahrung... Und zack, schon saßen wir wieder im nächsten Bus.
Wie so oft auf unserer Reise merken wir erst viel viel später, was wir eigentlich erlebt haben. Bei einer entspannten Bootstour in den Sonnenuntergang zeigt uns Laos, dass es auch anders als laotisch chaotisch kann - nämlich auch einfach nur schön!
Einige Male schippern wir nicht nur abends, sondern auch tagsüber über den Mekong. Denn das ist für uns Laos. Wir beobachten das Leben im und am Fluss, sehen spielende Kinder und Einheimische, die Kleidung waschen oder fischen.
Alle übrigens mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht und - sofern sie noch eine Hand frei haben - mit einem aufgeregten Winken. „Falang! Falang!“ - was so viel heißt wie „Ausländer! Fremde!“ rufen sie. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht winken wir zurück.
Wir sehen unglaubliche Wasserfälle, denen wir stundenlang einfach nur zuhören. Auch hier sind wir ganz weit weg vom Chaos in Laos und Jan einfach nur im Fotografen-Paradies.
Endlich kommt der Grau-Filter, der mit uns bis jetzt um die Welt gereist ist, zum Einsatz.
Foto-Motive gibt es für Jan übrigens zahlreiche im Land. Wenn auch nicht immer zu Sabbatical-tauglichen Uhrzeiten. In Luan Prabang müssen wir früh morgens aus den Federn, um die Bettelmönche, bei Ihrem morgendlichen Bettelgang vor Sonnenaufgang zu beobachten. Die Einheimischen versorgen Ihre Mönche täglich mit Reis. Ihre einzige Nahrungsquelle.
Ein Glück, dass wir hier so früh auf den Beinen sind. In Luan Prabang gibt es zahlreiche Tempel und Klöster. So viele von Ihnen, hätten wir nie im Leben sehen können, wenn wir länger geschlafen hätten.
Unser spannendstes Erlebnis in Laos: eine Fahrt in einer kleinen Nussschale, in tiefster Dunkelheit durch eine sieben Kilometer lange Höhle, die so genannte „Kong Lohr Cave“. Da wir sehr spät ankommen und fast alleine sind, fühlt es sich an, wie in einer Geisterbahn. Nur nicht im Freizeitpark, sondern ganz real in Laos eben. Wahnsinn! Da hat sich die drei-tägige Rollerfahrt mitten in‘s Nichts geloht. Von denen wir übrigens ca. die Hälfte der Zeit in strömendem Regen unterwegs waren. Zum Glück ist es in den Tropen einfach immer warm. Und das, was nass geworden ist, föhnen wir einfach wieder trocken.
Nur ein einziges Mal übrigens frieren wir in Laos. An einem Ort namens Phonsavan im Nord-Osten des Landes. Hier ist nicht nur das Wetter, sondern auch die Stimmung eisig. Wir besichtigen die so genannten “Plain of Jars” und sehen nicht nur bizarre Krüge, die als Gräber dienten, sondern auch unzählige Bombenkrater.
Was wir nicht wussten, ist, dass im Zuge des Vietnamkrieges auch in Laos bitterer Krieg geführt wurde. Laos gilt als eines der am heftigsten bombardierten Länder der Welt. Während des Vietnamkrieges wurden im Schnitt 2,8t Bomben pro Einwohner über laotischem Gebiet abgeworfen. Oder anders ausgedrückt, alle 8 Sekunden fiel über die komplette Kriegsdauer eine Bombe. Lasst Euch diese Zahlen einmal auf der Zunge zergehen.
Unvorstellbar - und noch unvorstellbarer, dass zwar der Krieg im Nachbarland Vietnam in den Medien propagiert, der in Laos dafür aber verschwiegen wurde. Noch heute ist das Land in erschreckendem Maße mit Blindgängern vermient. Fast jeden Tag sehen wir Hilfsorganisationen, die Bomben entschärfen. Nur so z.B. können Touristen wie wir die “Plain of Jars” besichtigen und über die traurige Geschichte lernen.
Themenwechsel... Wir lassen unsere Reise durch Laos an einem Ort mit dem zauberhaften Namen „4000 Islands“ ausklingen. Hier ist es einfach, aber auch einfach herrlich.
Wir schlafen in einem landestypischen Holzbungalow am Mekong, haben zwei einladende Hängematten und teilen uns alles brüderlich mit Geckos, Mücken und anderen Insekten. Denn dicht sind laotische Unterkünfte nicht. Immerhin aber unser Moskitonetz.
Ein wenig wehmütig queren wir auf dem Landweg die Grenze nach Kambodscha. Jan möchte mir noch einmal die Angkor Tempelanlagen zeigen. Er war vor vielen Jahren schon einmal hier. Jetzt, wo sie quasi nur einen Katzensprung entfernt liegen, nutzen wir die Chance und fahren - natürlich mit dem Bus - ins Nachbarland!
Witzigerweise werden wir dort Micha wiedertreffen. Ihn und seine Partnerin Lidi haben wir in Laos ganz zufällig kennengelernt und viele schöne gemeinsame Abende verbracht. Schonmal ein kleiner Vorgeschmack auf das, was uns ab Januar wieder erwartet. Das Schwabenländle. Denn woher kommen beide? Aus Stuttgart bzw. Degerloch natürlich!
Greta // Siem Reap // 25.11.2019
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