März 2023 – wir haben es eilig, denn wir möchten pünktlich zu Gretas Geburtstag in Istanbul in der Türkei sein. Noch sind wir in Griechenland und „Eile“ ist hier ein Fremdwort. Zumindest in der kilometerlangen Schlange am griechisch-türkischen Grenzübergang, in der wir seit Stunden in der glühenden Mittagssonne warten. Offensichtlich möchten heute besonders viele Menschen von Griechenland (Kipi) in die Türkei (Ipsala) ausreisen. Die Schlange wird zunehmend länger, die Wartenden immer ungeduldiger und das Chaos dank unkoordiniert rangierenden Fahrzeugen immer größer.
Im aktuellen Abfertigungstempo von gefühlt einem Fahrzeug pro Stunde, werden wir in ca. vier Tagen die Grenze passieren. Nach über sechs Stunden Wartezeit, gehen wir gemeinsam mit einem französischen Overlander-Pärchen zu Fuß zur Grenze vor, um auszuloten, ob es Sinn macht, noch länger zu warten. Ob wir einfach nur freundlich genug gelächelt haben, oder dem Grenzbeamten unsere Fahrzeuge gefielen, wissen wir nicht. Ohne mit der Wimper zu zucken, verschwindet er mit unseren Pässen in einem der vielen Grenzhäuschen. Keine fünf Minuten später ist er zurück und teilt uns mit: „Ihr könnt ausreisen. Fahrt einfach an der Schlange vorbei. Ich mache Euch die Schranke auf. “ Ok – wir staunen nicht schlecht und hinterfragen den Prozess nicht weiter. Unter einem ohrenbetäubenden Hupkonzert der anderen Wartenden verlassen an diesem Tag ein französisches und ein deutsches Fahrzeug Griechenland. Sorry...!
Der definitiv in die Jahre gekommenen, dreckigen und chaotischen griechischen Grenzseite folgt eine hochmoderne, sehr saubere und streng gesicherte türkische Grenze. Wir werden freundlich aber bestimmt durch einen Prozess von mehreren Grenzbeamten geleitet, unser Fahrzeug wird professionell inspiziert und zack – schon sind die Einreisestempel in unseren Pässen. Willkommen in der Türkei!
Auf unserem Weg in die Millionen-Metropole Istanbul lassen wir im türkischen Verkehr einige Nerven. Zum Glück sind wir auf dem Balkan bereits durch eine harte Schule gegangen – der Istanbuler Stadtverkehr legt aber definitiv noch einmal eine Schippe drauf. Wir sind erleichtert, als wir unbeschadet im Stadtteil Sultan Ahmet ankommen und unser Fahrzeug sicher parken.
Für einige Tage tauschen wir unser Fahrzeug gegen den Luxus eines schönen Hotels direkt am Bosporus (Danke, liebe Ulla, für den Hotel-Tipp!). Wir frühstücken jeden Morgen mit Blick auf die Hagia Sophia und die blaue Moschee und können von unserem Zimmer aus Delphine im Bosporus springen sehen. An Gretas Geburtstag wärmen wir uns in einem türkischen Hamam-Bad mal wieder so richtig auf, erkunden die Stadt, probieren uns durch sämtliche Baklava-Läden der Stadt und nutzen das breite Angebot an Istanbuls ausgezeichneter Gastro-Szene. Würdiger könnte ein neues Lebensjahr nicht starten! Greta war übrigens vor 15 Jahren geschäftlich längere Zeit in Istanbul. Für Jan ist es der erste Besuch in der bedeutenden Stadt am Bosporus. Für uns beide gibt es in der größten Stadt der Türkei also viel (wieder-) zu entdecken.
Auch im Regen, der glücklicherweise erst pünktlich nach Gretas Ehrentag einsetzt, gibt es in Istanbul viel zu entdecken. Viele Sehenswürdigkeit können indoor, oder unterirdisch besucht werden. Und ein Regentag ist natürlich die perfekte Gelegenheit sich in einem der vielen Cafes der Stadt bei einer Tasse Cay, türkischem Kaffee oder süßen Leckereien aufzuwärmen. Bei unserem Besuch in Istanbul regnet es sehr oft, viel und lange. Wir schätzen, dass wir während unseres Aufenthaltes beide mindestens zwei bis drei Kilogramm zugenommen haben.
Über die Meerenge Dardanellen setzen wir von der europäischen Halbinsel Gelibolu nach Kleinasien über und überqueren damit die innereurasische Grenze. Wir sind mit unserem Fahrzeug auf einem neuen Kontinent angekommen: Asien! Ein besonderer Moment unserer Reise.
Die Hafenstadt Canakkale auf der asiatischen Seite empfängt uns herzlich, aber bei Regen. Ausreichend Zeit also, uns wieder der türkischen Gastro-Szene zu widmen. Wir sind gute Gäste in einem kleinen lokalen Restaurant und werden ganz herzlich von Ahmet und seiner Frau Olca in ihrem kleinen „Pide Salonu“ umsorgt. Wir essen köstliche Pide in allen Varianten: herzhaft mit Tomaten und frischer Petersilie oder süß mit der Sesampaste Tahin und gehackten Pistazien – ein absolutes Gedicht! Gratis gibt es für uns Türkisch-Stunden. Ahmet und Olca sind geduldige Lehrer. Als wir Canakkale verlassen, sind wir fit in türkischem Small-Talk.
Mitten in Canakkale finden wir übrigens das Original trojanische Pferd aus dem Hollywood Blockbuster „Troja“. Das trotzt an der Promenade des Ortes dem Regen und ist viel schöner, als sein hölzernes Abbild auf dem Gelände der historischen Ausgrabungsstätte Troja. Vielleicht empfinden wir so, da wir Troja im tiefsten Grau, bei eisigem Wind und mit Horden von asiatischen Reisegruppen besuchen. In das trojanische Pferd, auf das wir uns so gefreut hatten, dürfen wir nicht klettern. Es ist – Überraschung – eingezäunt und wird aktuell renoviert. Aber auch ohne das sagenumwobene trojanische Pferd bleibt Troja ein geschichtlich bedeutender Ort.
Entlang der ägäischen Küste geht es für uns immer weiter Richtung Süden. Mit unserem Fahrzeug können wir uns problemlos abseits der Touristenpfade bewegen und finden jede Nacht großartige Stellplätze. Wild campen ist in der Türkei mit kleinen Einschränkungen – wie z.B. in Norwegen – fast überall erlaubt.
Die Einheimischen lieben nicht nur ihr Land, sondern sind auch passionierte Camper und aufgeschlossen neugierige Mitmenschen. Egal, an welchen abgelegenen Ort wir fahren, wir sind selten alleine. Mal gesellt sich eine türkische Groß-Familie in ihrem Camping-Mobil zu uns, mal schauen ein Schäfer oder Hirte neugierig in unser Fahrzeug, mal bekommen wir freundlichen Besuch von der türkischen „Jandarma“. Und natürlich – wie sollte es auch anders sein – überall treffen wir auf hungrige Vierbeiner. Um es kurz zu machen: es dauert selten länger als eine Viertel-Stunde, bis wir auf eine Tasse warmen Cay und einen netten Plausch eingeladen werden. Natürlich dürfen wir nicht weiterfahren, ohne ein kleines Geschenk anzunehmen: Sehr beliebt sind Tomaten und Orangen in rauen Mengen oder – unser Highlight bis jetzt – selbst eingelegte Oliven.
Die türkische Gastfreundlichkeit und erfrischende Neugierde, mit der uns die Menschen hier begegnen, berührt uns sehr. Vor allem, an touristisch weniger erschlossenen Orten begegnet uns immer ein „Merhaba – hos geldiniz!“ („Guten Tag und herzlich Willkommen!“) mit einem freundlichen Lächeln und einem aufgeregten Winken. Dank Ahmets kleinem Türkisch-Kurs können wir versiert mit einem „Hos bulduk“ („Danke!“) antworten. Wörtlich übersetzt antworten wir übrigens mit deutlich mehr, nämlich: „Danke. Wir haben es angenehm/herzlich gefunden!“. Türkische Konversation ist komplex. Die Einheimischen freuen sich in jedem Fall sehr, wenn wir uns bemühen, in ihrer Landessprache mit ihnen zu kommunizieren. Sehr viele Menschen halten Jan übrigens für einen Türken oder sehen ganz eindeutig türkische Wurzeln in ihm. Gerade an touristischen Orten kommt uns beiden dies zu Gute, da wir nicht gleich in den nächsten Teppich-Laden oder Souvenir-Shop gezerrt werden.
Besonders freuen wir uns, dass während unserer Reise ein wahres Netzwerk an Kontakten und Bekanntschaften entsteht. Das kennen wir so aus noch keinem anderen Land unserer Reise. Gastfreundlich, offen und hilfsbereit sind uns die Einheimischen bis jetzt überall begegnet, die Einheimischen hier heben Gastfreundschaft aber auf ein neues Level. Besonders gerne denken wir so an zwei Menschen zurück, die wir über einen ehemaligen Arbeitskollegen von Greta, kennenlernen durften. Berker aus Stuttgart vernetzt uns kurzerhand mit Familie und Freunden hier im Land. In der Nähe von Izmir lernen wir so seinen Cousin Can kennen, der unter anderem Post für uns aus Deutschland empfängt. Mit Can verbringen wir einen ganz wunderbaren Tag in Selcuk, trinken Cay, schlemmen uns durch leckeres türkisches Essen und bekommen wertvolle Tipps für unsere Weiterreise. Gerade im Moment hilft er uns übrigens, eine vertrauensvolle Werkstatt im Norden des Landes zu finden.
In Antalya lädt uns Berkers guter Freund Hasan ganz selbstverständlich für ein paar Tage zu sich nach Hause ein. „Ihr braucht mal wieder ein großes Bett, eine heiße Dusche und bestimmt auch eine Waschmaschine“. Auch Hasan empfängt ein Paket mit Ersatzteilen für uns aus Deutschland. Ein Segen, solche Kontakte außerhalb der europäischen Zollunion auf einer Reise zu haben. Als würden wir uns bereits ewig kennen, dürfen wir uns in seinem Apartment ganz ungezwungen bewegen. Schon am ersten Abend sitzen wir gemütlich gemeinsam im Pyjama und nach gefühlten 25 kühlen Bier auf der Couch. Während Hasan im Büro arbeitet, nutzen wir sein starkes Wifi im Apartment für unsere Arbeit. Abends kochen wir gemeinsam, besuchen Antalya oder probieren eine der vielen türkischen Leckereien, die Hasan uns auftischt.
Auch in der Türkei können wir wieder Jans Papa zitieren. Was wäre die Türkei ohne ihre „alten Steine“? Auf unserem Weg von Canakkale nach Antalya sehen wir entlang der Küste viele von Ihnen. Egal ob bei Regen oder Sonne, sie sind allesamt beeindruckend.
Unser Besuch in der Stadt Pamukkale bleibt uns nicht nur wegen der beeindruckenden Kalk-Terrassen und Ruinen in Erinnerung. Im Morgengrauen um kurz nach fünf werden wir unsanft von einem lauten Geräusch direkt neben unserem Fahrzeug geweckt. Wir hatten ja bereits diverse Besuche, dieser ist aber auch für uns ein Novum:
Die Heißluftballone geben uns einen ersten Vorgeschmack auf einen weiteren besonderen Ort in der Türkei. Die Region Kappadokien in der Zentraltürkei, unter anderem bekannt für Ihr weltweit einzigartiges Heißluftballon-Spektakel. Bereits in der ersten Nacht wachen wir um kurz vor fünf zu dieser atemberaubenden Kulisse auf. Hunderte von Heißluftballonen ziehen durch den Canyon, an dessen Rand wir die Nacht verbracht haben. Zum Anfassen nah schweben sie an uns vorbei. Ein wirklich surrealer Moment! Diesen mit unserem Fahrzeug aus der ersten Reihe erleben zu können: unbezahlbar.
Kappadokien lässt sich auch ganz wunderbar per pedes erkunden. Unserem Fahrzeug gönnen wir weiterhin den Blick aus erster Reihe. Auch wenn es nachts eisig kalt ist, möchten wir mindestens eine weitere Nacht an diesem besonderen Ort schlafen und unseren Stellplatz nicht aufgeben. Zu Fuß steigen wir also in den Canyon ab und wandern durch das Love Valley mit seinen Felsformationen, die viel Raum für Phantasie lassen.
Alle weiteren Stellplätze, die wir in Zentralanatolien ansteuern, sind vergleichbar spektakulär. Unser Fahrzeug fühlt sich hier richtig wohl und bringt uns an die schönsten Orte, an die ein Standard-Camper oder ein Mietwagen nicht kommen würde. Da es immer wieder regnet und gewittert, müssen aber auch wir aufpassen und unseren Allrad oder die Geländeuntersetzung regelmäßig zuschalten. Sobald wir die großen Hauptverkehrsstraßen verlassen, fahren wir auf Sand, Schotter oder lehmigen Pisten. Selbst in touristisch gut erschlossenen Orten wie dem Ort Göreme, sind viele Nebenstraßen nicht asphaltiert.
Wir sehen über und unter der Erde bizarre Felsformationen und Höhlenkomplexe. Stundenlang durchwandern wir die fremden Landschaften, genießen die atemberaubenden Ausblicke und fangen hunderte von Fotos – über und unter der Erde - ein. Nach unserer Tour durch ein unterirdisches Höhlendorf, sind wir wieder froh, an der Erdoberfläche zu sein. Definitiv kein Besuch, den wir einem Klaustrophobiker empfehlen würden. Dennoch ein einmaliges Erlebnis.
Für uns geht es (zum Glück!) wieder zurück an die Erdoberfläche und die frische Luft. Von Kappadokien in Zentralanatolien reisen wir in den nächsten Tagen weiter immer in Richtung Osten. Der Osten der Türkei soll wunderschön sein haben wir bereits mehrfach gehört. Wir sind sehr gespannt!
Greta // 15. April 2023 // Avanos, Kappadokien, Türkei
Super, ich fre😊ue mich immer, wenn ich von euren Resieerlebnissen lesen darf...so schöne Fotos gute Reise euch weiterhin
Jürgen