November 2022 – wir sind in Montenegro angekommen. Dem Land, mit den vielen Nachbarn: Das montenegrische Staatsgebiet grenzt an Kroatien, Serbien, den Kosovo, Nordmazedonien und Albanien. Ein weiteres Land auf der Balkan-Halbinsel, das wir nur von vielversprechenden Werbe-Bildern aus Reiseführern oder dem Internet kennen: Die „wilde Schönheit an der Adria-Küste“. Wahrscheinlich sind alle Aufnahmen bearbeitet – so schön kann es unmöglich in Realität hier sein.
Als wir am ersten Abend unser Camp aufschlagen und den Tag Revue passieren lassen sind wir uns einig: doch, es ist tatsächlich so, wie es all die Bilder, die wir uns vorab angeschaut haben, versprochen haben. Wir fühlen uns sofort wohl im kleinen Balkanstaat. Inmitten der vielen Natur mit ihrer schroffen Felsenlandschaft, den mediterran anmutenden Stränden und den weißen Schäfchenwolken am Himmel.
Die Straßen sind klein, kurvig und eng und meist in schlechtem Zustand. Genau das richtige für unser Fahrzeug! Hier unterwegs zu sein mach Freude und entschleunigt sehr. Wir entscheiden uns, wann immer möglich, für eine kurvige Bergstraße. Ausgewaschene Schotterpisten bringen uns weit weg von den asphaltierten Straßen zu einsamen und ganz friedlichen Orten, weit weg von der Zivilisation.
Die Nächte in Montenegro sind um diese Jahreszeit eisig kalt. In den Bergen bläst trotz Sonnenschein konstant ein eisiger Wind. Wir verbringen viele Nächte im Dachzelt – oder wenn es zu stürmisch ist im Fahrzeug – in denen wir dankbar sind, dass wir zwei dicke Daunenschlafsäcke, zwei Thermo-Inleys und unsere Skiunterwäsche im Gepäck haben. Es ist einfach kalt. Wie kalt genau, wissen wir nicht. Wir messen die Außentemperatur grob an der Menge an Eis auf dem Dachzelt … Manchmal ist es auch einfach besser nicht genau zu wissen, wie warm oder kalt es aktuell ist.
In den Nationalparks Montenegros werden wir dafür mit traumhaften Ausblicken belohnt. Uns beide berührt die Landschaft sehr. Wenn man bedenkt, wie viele verschiedene Orte und Länder wir auf unserer Reise schon gesehen haben, muss es schon irgendwie anders und besonders hier sein, dass wir beide so empfinden. Montenegro hat auf kleinstem Raum einfach ein bisschen von allem. Wahrscheinlich ist es diese Vielfalt, die uns das Land so intensiv erleben lässt.
Für alle die jenigen unter Euch zu Hause, die bereits Wetten abgeschlossen haben, wann wir einen Hund an Bord haben werden: es war mal wieder fast so weit. Wir besuchen ein Felsenkloster und verbringen die Nacht auf dem Klosterparkplatz in der Nähe. Schon als wir am Morgen ankommen, begegnet uns ein ganz aufgeregter Streuner. Einen so nervösen und verstörten Vierbeiner haben wir lange nicht gesehen. Er ist zwar hungrig, aber so verängstigt, dass er sich sein Futter bei uns nur abholt, wenn wir uns weit genug entfernen. Wir taufen den Streuner „Dropsi“ und je länger wir vor Ort sind, desto zutraulicher wird er. Nachts – als er sicher ist, dass wir nicht mehr aus dem Fahrzeug kommen – legt er sich unter unser Fahrzeug und beschützt uns mit lautem Gebell vor irgendetwas oder irgendjemandem, das bzw. den wir nicht sehen. Mit viel Geduld und Ruhe sind wir am nächsten Tag so weit, dass Dropsi in unserer Nähe frisst und sich sogar streicheln lässt. Je länger wir unterwegs sind, desto mehr sind es genau solche Momente, die uns große Freude bereiten.
Mit Dropsi im Herzen (und leider nicht in unserem Fahrzeug …) verlassen wir Montenegro. Der Grenzübergang nach Bosnien-Herzegowina ist anders, als viele der Grenzen, die wir auf unserer Reise bis jetzt überquert haben. Über eine alte klapprige Holzbrücke, an deren Ende ein Grenzbeamter in einem rostigen Container sitzt, reisen wir nach Bosnien-Herzegowina ein.
Plötzlich ist er weg, der Zauber von Montenegro. Um uns herum nur noch staubige Piste, tückische Schlaglöcher und triste Stimmung. Ein harter Kontrast. Willkommen in Bosnien-Herzegowina. Mit ein wenig Phantasie ähneln die Umrisse des Landes einer Herzform. Vielleicht hatten wir uns daher unsere Ankunft in Bosnien-Herzegowina etwas romantischer vorgestellt.
Über besagte staubige Pisten geht es für uns in die Hauptstadt des Landes: Sarajevo. Bis kurz vor die Stadtgrenzen sind wir überzeugt, dass wir auf einer falschen Route sind. Der Weg in die Hauptstadt muss doch irgendwie größer, schöner und besser sein? Nein, muss er nicht. Die schlechten Straßen hören auf, wir fahren ein paar Kilometer über frischen Asphalt und sind auf einmal mitten in Sarajevo.
Wir verbringen mehrere Tage in Sarajevo, einer Hauptstadt mit bewegender und trauriger Geschichte, aber vor allem, einer ganz besonderen Stimmung. Während des Bosnienkrieges musste sich Sarajevo einer blutigen vierjährigen Belagerung zur Wehr setzen. Seit dem Kriegsende 1995 ist zwar einige Zeit vergangen, dennoch ist die Stadt übersäht mit unzähligen Narben, die an dunkle Tage erinnern.
Auf den Straßen und Gehwegen entdecken wir immer wieder seltsame rote Flecken, die so genannten „Rosen von Sarajevo“. An vielen Stellen, an denen zu Kriegszeiten eine Granate aufgeschlagen ist, Menschen verletzt oder getötet wurden, entstanden Löcher im Asphalt. Diese wurden mit rotem Harz gefüllt und ziehen sich heute als Mahnmale durch die ganze Stadt.
Trotz der traurigen und omnipräsenten Erinnerungen an vergangene Zeiten erleben wir die Stimmung in der Stadt als sehr positiv und erleben einer spannenden Mischung aus östlicher und westlicher Kultur. Moscheen gehören wie christliche Kirchen zum Stadtbild.
Vor den Toren der Stadt begeben wir uns auf eine Zeitreise zurück zu den olympischen Spielen von 1984. Ein einmaliges Erlebnis, einmal in einer Bobbahn entlang zu spazieren, oder am Schanzentisch einer Skisprungschanze zu stehen. Die ist mächtig steil! In jedem Fall genießen wir die frische und saubere Luft außerhalb der Stadtgrenzen. Sarajevo hat ein massives Smog-Problem.
Tritt man im Winter vor die Haustüre riecht man gleich, als hätte man stundenlang dicht an einem Lagerfeuer gesessen. Viele Menschen in der Stadt heizen mit Holz und das riecht man. Dazu kommt, dass fast ausnahmslos (und damit übertreibe ich nicht) jeder Mensch, dem wir in Bosnien-Herzegowina begegnet sind, raucht! Draußen auf der Straße, aber auch drinnen beim Bäcker oder im Restaurant. Vom Rauchverbot in Deutschland verwöhnt ist das für uns befremdlich. Die „Düfte“ der Stadt fahren wir noch tagelang in unserem kleinen Räucherstübchen, unserem Fahrzeug, durch die Gegend. So bleibt uns Sarajevo auch geruchstechnisch nachhaltig in Erinnerung.
Eine weiterer Ort, der uns in Bosnien-Herzegowina in Erinnerung bleibt, ist die Stadt Mostar. Hier findet regelmäßig ein Red-Bull Springen statt. Wir sehen den Contest nicht live, können uns das Spektakel aber bildlich vorstellen. Mostar ist in jedem Fall auch ohne den Red-Bull Zirkus eine Reise wert.
Bosnien-Herzegowina verlassen wir mit ein wenig Aufregung. Plötzlich scheppert es laut unter unserem Fahrzeug. Unser Gedanke „Da fährt ja mal wieder eine Rostlaube, an der alles klappert, hinter uns …“ war nett, aber leider nicht zutreffend. Das Klappern kommt leider nicht vom Fahrzeug hinter uns, sondern von uns selbst. Ein Hitzeschutzblech hat sich an unserem Unterboden gelöst und muss geschweißt werden. Zum Glück sind wir in Bosnien-Herzegowina, einem Land, in dem unkomplizierte Hilfsbereitschaft groß geschrieben wird. Obwohl es Sonntag ist, haben wir innerhalb einer Stunde helfende Hände gefunden, die völlig selbstverständlich und mit einem Lächeln im Gesicht unser Blech wieder fixieren.
Während wir unsere Hitzeschutzblech versorgen, wird es im fernen Deutschland bereits weihnachtlich. Meine lieben Patenkinder backen mit ihrer Mama im verschneiten Bayern Plätzchen in G-Klasse Form! Die Ausstecker sind übrigens vom Papa eigens in einem 3D-Drucker hergestellt worden. Wir freuen uns sehr über dieses Bild in der Ferne und würden zugern gleich Naschen.
Greta // 05. März 2023 // im Schatten der Akropolis in Athen
Kaum ist die von euch inspirierte Reise nach Rumänien geplant, schon ist der nächste Wunsch, durch diesen Blog Artikel, geweckt. Eine tolle Erinnerung an vergangene Tage auf dem Bike war eine tolle Reise durch den Balkan damals.
Tolle Fotos und spannende Geschichten. Ich bekomme Fernweh! Gute Reise und weitere spannende Begegnungen.
Bea