Seit Januar 2022 reisen wir um die Welt – für Kinder in Not. In unserem selbstausgebauten Expeditionsmobil haben wir seitdem 22 Länder bereist. Über 25.000 Kilometer sind wir unter einem guten Stern gefahren. Unsere Spendenkampagne für das Kinderhilfswerk terre des hommes haben wir seit dem ersten Tag unserer Reise im Gepäck. Eine Herzensangelegenheit! Von Kleve am Niederrhein ist sie mit uns einmal quer durch Europa gereist. Hoch in den Norden durch das Baltikum und tief in den Süden über die gesamte Balkanhalbinsel. Den heutigen Artikel schreiben wir schreiben wir aus der Türkei. Mittlerweile sind wir in Asien angekommen!
Wann immer möglich besuchen wir entlang unserer Reiseroute Projekte des Kinderhilfswerks terre des hommes. So hatten wir im vergangenen Jahr die Möglichkeit ein Beratungs-und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Migrant*innen in Berlin zu besuchen. Später im Jahr folgten Projektbesuche im Osten Europas. Wir begegneten ukrainischen Flüchtlingskindern an der polnisch-ukrainischen Grenze und besuchten Schulen in Zentral-Polen. Jeder Projektbesuch war speziell und auf seine ganz eigene Weise nachhaltig beeindruckend. Eines haben sie jedoch alle gemeinsam: Sie zeigen die unglaublich wichtige Unterstützung und Arbeit von terre des hommes und ihren lokalen Partnerorganisationen. (Hier könnt Ihr noch einmal nachlesen, was wir bei unseren Projektbesuchen in Berlin und Polen erlebt haben).
Heute möchten wir Euch von unseren aktuellen Projektbesuchen in Griechenland berichten. In Athen hatten wir im März die Möglichkeit zwei Tage mit lokalen Partnerorganisationen von terre des hommes vor Ort zu verbringen: Wir begleiteten Streetworker in der open drug scene von Athen und tauschten uns mit Anwälten, die Geflüchtete vertreten und gegen Menschenrechtsverletzungen kämpfen, aus.
Unser Fahrzeug parken wir auf einem bewachten Parkplatz vor den Toren der Stadt und ziehen für ein paar Tage in ein kleines zentrales AirBnB. Im dichten Großstadt-Dschungel sind wir mit unserem Fahrzeug einfach nicht gut aufgehoben. Wir tauschen das Dachzelt gegen ein richtiges Bett, freuen uns über Strom aus der Steckdose und fließend warmes Wasser aus der Leitung.
Unsere Freude über die vielen Annehmlichkeiten wird schnell nebensächlich, als wir Tassos kennenlernen. Einen Tag lang begleiten wir ihn, den Gründer der Organisation STEPS (Standing for people) und sein Team auf den Straßen von Athen. Zahllose Menschen sind in Griechenland obdachlos, darunter hunderte geflüchtete Kinder und Jugendliche. Schon auf dem Weg zu unserem Treffpunkt mit Tassos erleben wir das Ausmaß der Obdachlosigkeit in Athen. Nicht an einer oder zwei – nein an vielen Ecken der Stadt sehen wir Menschen, die auf der Straße leben.
Tassos und sein Team sind auf den Straßen von Athen unterwegs, um ihnen zu helfen. Sie helfen mit Lebensmitteln, Hygieneprodukten und Schlafsäcken aber auch bei Asylverfahren und sonstigen Rechtsfragen. Vor allem aber helfen sie unglaublich wertschätzend und stets mit einem offenen Ohr. Wie wichtig gerade letzteres sein kann, erleben wir als wir mit Tassos und seinem Team durch die Straßen von Athen ziehen. Wir begleiten sie in die open drug scene. Einen Ort, den Touristen oder Reisende wie wir normalerweise mit einem großen Bogen meiden.
Wie ein Fremdkörper stehen wir plötzlich mitten in der Drogenszene. Tassos verteilt in unauffälligen Papiertüten saubere Spritzen, Desinfektionsmittel und eine Anleitung, die zeigt, an welchen Stellen des Körpers gespritzt werden sollte und an welchen nicht. Wie versteinert stehen wir möglichst unauffällig in Mitten des Geschehens, während in unserem Inneren alles danach schreit, einfach wegzurennen. Wenige Meter von uns entfernt, kommen die frischen Spritzen zum Einsatz. Bei den etwa 50 Personen, die um uns herum stehen, sitzen oder liegen ist es unmöglich, die Augen hiervor zu verschließen. „Was mache ich eigentlich hier?“, „Hoffentlich stolpert keiner mit einer Spritze in mich herein!“ kreisen gemeinsam mit „Wow! Was für einen Job, den Tassos hier leistet“ in unseren Köpfen herum.
Begleitet wird Tassos von einer jungen Anwältin. Sie notiert sich ruhig und gewissenhaft die Anliegen derer, die auf sie zukommen. Da alle Gespräche in griechischer Sprache geführt werden, verstehen wir nicht viel. Wir lernen später, dass es um Anliegen aller Art geht: Termine bei Gericht, Post oder Dokumente wie verloren gegangene Ausweise.
Einige Zeit später stößt ein medizinisches Team der Medical Volunteers International aus Hamburg zu uns. Die Medical Volunteers versorgen die Drogensüchtigen regelmäßig direkt vor Ort. Viele von ihnen haben dank mangelnder Hygiene oder einfachem Zugang zu medizinischer Versorgung schlimme Wunden oder Verletzungen. Tassos verteilt nebenher an eine Drogensüchtige einen Test, mit dem sie die Reinheit Ihrer soeben erworbenen Drogen überprüfen kann.
Wie ein Film zieht die Zeit, die wir mit Tassos in der open drug scene verbringen an uns vorbei. Wie lange genau wir dort waren, können wir im Nachhinein beide nicht sagen. Eigentlich waren wir wie bei unseren vorherigen Projektbesuchen mit der Idee, Bild- und Videomaterial für terre des hommes zu sammeln, angereist. Doch schnell wird uns klar: hier möchten und können wir keine Bilder oder Videos aufnehmen. Mit Tassos und seinem Team sind wir bereits tief in den persönlichen Raum der Menschen auf der Straße eingedrungen und haben damit unsere persönliche Grenze erreicht. Kamera und Audio-Equipment sind für uns fehl am Platz und bleiben daher in unseren Rucksäcken.
Tief bewegt, verabschieden wir uns von Tassos. Er sieht uns an, dass wir das, was wir in den letzten Stunden gemeinsam erlebt haben, erst einmal verarbeiten müssen. Mit einem Lächeln erklärt er uns: „Morgen ist der Tag der Woche, an dem unser Team immer warme Mahlzeiten an Bedürftige ausgibt. Da hattet Ihr mit Eurem Besuch heute deutlich härtere Kost“. Wie recht er doch hat …
In der Nacht überlegen wir ernsthaft, ob wir unser für den kommenden Tag geplantes Treffen mit einem weiteren lokalen Projektparter von terre des hommes absagen sollen. Die Bilder und Eindrücke des Tages beschäftigen uns einfach zu sehr. Nach all den internen Vorbereitungen auf das Treffen, möchten wir den Besuch aber nicht einfach absagen und entscheiden uns, den Termin wahrzunehmen. Eine gold richtige Entscheidung wie sich herausstellen wird.
Wir sind verabredet mit Alexandros, Jurist bei Equal Rights Beyond Borders, einer griechisch-deutschen NGO für Rechtshilfe. Die Menschenrechtsorganisation setzt sich mit Ihrem Team von griechischen und deutschen Menschenrechtsanwälten, Juristen und Dolmetschern für Rechte von Geflüchteten, Asylsuchenden und deren Familien ein. In Athen, Berlin, Chios und Kos bieten sie kostenlose Rechtshilfe an. Sie unterstützen Geflüchtete und Asylsuchende bei der Durchsetzung ihrer Rechte an der EU-Außengrenze.
Mit der U-Bahn und zu Fuß machen wir uns auf den Weg zum griechischen Büro der NGO, unserem Treffpunkt. Athen selbst sehen wir heute mit anderen Augen. Haben wir gestern noch an vielen Straßenecken Obdachlose Menschen entdeckt, sehen wir heute bekannte Gesichter, die uns ab und an wiedererkennen und mit einem schüchternen Lächeln begegnen.
In einer einfachen Besprechungsecke lauschen wir gebannt den Berichten von Alexandros und seinen Kolleg:innen. Einer bunten Runde aus Juristen, Dolmetschern und PR Vertretern. Eindrücklich berichten sie uns von den Situationen in den griechischen Flüchtlingslagern, schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen und was es bedeutet, Menschenrechte genau dort zu verteidigen. Bilder und Situationen, die wir bis dato nur aus den Medien kannten. Sie von Menschen wie Alexandros, die direkt involviert sind, zu hören, ist eine andere Hausnummer.
Wir fragen uns, woher dieses Team, das uns so symphatisch und enthusiastisch berichtet Ihre schier unermüdliche Energie zieht. Was treibt sie an? Warum tun sie das, was sie tun? Wir fragen nach und staunen nicht schlecht, als wir ihre Antworten hören. Jeder im Raum ist bis in die Haarspitzen motiviert und weiß, warum er sich täglich für die Arbeit bei „Equal Rights Beyond Borders“ zu 100% engagiert. Hier ein Auszug:
„Täglich werden wir Zeugen davon, dass die Grundrechte unserer Mandanten verletzt werden. Mir ist es ein Anliegen, die Würde und Gleichheit jedes Menschen zu verteidigen und zu schützen. Ich bin glücklich wenn ich nur Einem oder Einer von ihnen helfen kann!“
„Ich bin selbst Geflüchteter und weiß aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, in einem fremden Land um Asyl zu bitten. Mein eigenes Schicksal motiviert mich, mich zu engagieren, dass es anderen besser als mir ergeht.“
Es ist ein Gespräch mit vielen Gänsehautmomenten. Persönlich, tiefgründig und an der ein oder anderen Stelle auch sehr emotional. Ein Gespräch, das uns sehr bereichert hat. Selten haben wir in so kurzer Zeit, so viel Empathie, Überzeugung und Tatendrang gespürt. Wir haben ein großartiges Team von Equal Rights Beyond Borders kennenlernen dürfen. Als wir das Büro verlassen sind wir froh, dass wir unseren Termin nicht abgesagt haben. Was für eine Begegnung wäre uns sonst entgangen …
Wenn Ihr mehr über die Arbeit von Equal Rights Beyond Borders erfahren wollt, empfehlen wir Euch nachfolgende Links zu einem Video auf YouTube und einer Publikation der griechisch-deutschen NGO: YouTube | Publikation
Zu guter Letzt noch eine Anmerkung in einer Sache: Beide Projekte, die wir in Athen besuchen konnten, sind lokale Projektpartner der Organisation, die wir mit unserer Reise um die Welt ehrenamtlich unterstützen: terre des hommes.
Ihr helft uns, mit Beiträgen wie diesen, Aufmerksamkeit für terre des hommes und ihre großartige Arbeit zu erzielen. Teilt diesen Beitrag im Freundes- oder Bekanntenkreis und erzählt von unseren Erlebnissen und unserer Reise um die Welt! Falls Ihr noch ein klein wenig mehr helfen möchtet, freuen wir uns sehr über Eure Spende:
Oder macht es wie Jans Papa, Christian Navel. Als passionierter Reisender und Motorradfahrer haben er uns seine BMW GS schon viele spannende Ecken dieser Welt gesehen. Im letzten Jahr hat Christian sein Bike in die USA verschifft, um sich dort, gemeinsam mit einem Freund, auf einen Roadtrip zu begeben.
Was er während seiner dreimonatigen Reise auf zwei Rädern und über 19.000km erlebt hat, hat er vor Kurzem im Zehnthaus Jockgrim im Rahmen eines Vortrags berichtet. Seine beeindruckenden Bilder und Geschichten hat Christian übrigens für einen guten Zweck geteilt. Die kompletten Einnahmen seines Vortrags sowie eine großzügige persönliche Spende hat er unserer Spendenkampagne und damit terre des hommes zu Gute kommen lassen. HERZLICHEN DANK, lieber Christian, für Dein tolles Engagement!
Greta // 04. April 2023 // im Schatten der Myra Ruinen bei Demre in der Türkei
Ihr Lieben,
ihr habt schon viele schöne und eindrucksvolle Bericht in diesem Blog hinterlegt. Dieser ist etwas ganz besonderes. Es ist beeindruckend, wie ihr euch neuen Erfahrungen stellt, die abseits von Sonne, Strand, OffRoad Straßen und fernen Ländern liegen. Auch ein Teil der Wirklichkeit dem ihr euch aussetzt und eine Erfahrung, die vermutlich sehr lange nachhallt.
Mich hat der Bericht sehr berührt. Danke, dass ich eine Rolle darin spielen durfte. Liebe Grüße und gute Reise, zu welchen Erfahrungen auch immer sie euch trägt. Christian