5 Wochen lang sind wir durch den Iran gereist. Ein Land, das uns vor unserer Einreise so viel Kopfzerbrechen bereitet und dann doch so positiv überrascht hat. Eingereist sind wir mit der Option, das Land auf dem schnellsten Weg zu durchqueren und in die Türkei oder den Irak auszureisen. Geblieben sind wir über einen Monat. Unglaublich, was wir an kulturellen Schätzen gesehen haben und was für herzliche Begegnungen wir mit den Einheimischen vor Ort hatten. Alle Sorgen, die wir uns selbst und sich Freunde und Familie um uns gemacht haben, waren unbegründet. Wir konnten den Iran ohne Zwischenfälle und Komplikationen bereisen.
Wir stehen im Südwesten des Irans, nahe der Stadt Abadan, an der iranisch-irakischen Grenze. Beide sind wir froh und dankbar, dass wir uns auf das Abenteuer Iran eigelassen haben. Was haben wir alles erlebt und gesehen! Lest hier weiter, wenn Ihr uns in den Iran begleiten möchtet.
Unsere Ausreise aus dem Iran verläuft wie die Einreise unbürokratisch und gut organisiert. Nach etwa einer Stunde sind unsere beiden Reisepässe gestempelt, das Carnet de Passage abgewickelt und wir bereit zur Ausreise in den Irak. Vor uns liegt ein 150 km langer Transit durch das Land. Noch heute Abend wollen wir in Kuwait sein.
Zwei Ländergrenzen an einem Tag zu überqueren ist optimistisch, das wissen wir. Da es auch für den Irak eine Reisewarnung gibt, möchten wir unseren Transit durch das Land so kurz wie möglich halten. Wir freuen uns auf Kuwait. Seit Wochen das erste Land unserer Reise, das vom deutschen Auswärtigen Amt als „sicher“ eingestuft wird.
Auf unserer Reise lief bis jetzt lange nicht alles nach Plan. Wir sind gewohnt Pläne zu ändern und zu improvisieren. Dass wir allerdings aus dem Irak das aller erste Mal überhaupt die Notfallnummer einer deutschen Botschaft wählen müssen, wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Auch wissen wir noch nicht, dass niemand in dieser Nacht dort unseren Anruf beantworten oder uns helfen wird. Und dass unser Grenzübertritt in Summe über 30 Stunden in Anspruch nehmen wird, auch das ist uns noch unbekannt. Zum Glück.
Noch sind wir guter Dinge. Unser Fahrzeug parkt an der irakischen Grenze auf einem staubigen Parkplatz, der uns mehr an einen Schauspielplatz eines Kriegsfilms als einen Grenzübergang erinnert. Für mehrere Stunden irren wir über das Grenzgelände und sammeln an diversen Schaltern und Büros Stempel ein, lassen Dokumente kopieren, zusammentackern und abheften. Wir schlürfen arabischen Kaffee aus einer das letzte Mal vor 100 Jahren gespülten Tassen, werden mit Zigarettenrauch von ranghohen Offizieren in muffigen Containern eingeräuchert und zahlen letzten Endes für diesen absolut chaotischen „Service“ (wobei das Wort der gebotenen Dienstleistung in keiner Weise gerecht wird) 350 US Dollar. Einen klaren Prozess gibt es an dieser Grenze schlichtweg nicht. Aber, was sollen wir machen. Wir müssen durch den Irak, um nach Kuwait zu gelangen.
Irgendwann haben wir tatsächlich alle Mitarbeiter der Grenze teilweise mehrfach besucht, den letzten Stempel abgeholt und sind in den Irak eingereist. Durch die Stadt Basra im Süden des Landes geht es für uns auf direktem Weg zur kuwaitischen Grenze. Die Ausreise aus dem Irak verläuft ähnlich chaotisch und unorganisiert wie die Einreise. Einzige Ausnahme, das Schauspiel findet dieses Mal an einem moderneren Ort statt. Anstatt verräucherter und dreckiger Container gibt es eine helle, weiße und klimatisierte Halle.
Es ist bereits lange dunkel, als wir am letzten Checkpoint stehen und warten, dass sich der Schlagbaum für uns öffnet. Kuwait ist nur noch wenige Meter entfernt. Und dann passiert es. Unsere Pässe sind schon eine Weile zu lange in den Händen des Grenzbeamten. Es wird laut und hektisch. Innerhalb weniger Minuten sind wir eingekreist von bewaffneten Grenzbeamten und werden gebeten auszusteigen. Wir verstehen nur, dass es irgendeine Art von „problem“ gibt. Erst dank der Hilfe zweier kuwaitischer Reisender, die für uns übersetzten – Englisch spricht leider niemand hier - wird das „problem“ zu einem „big problem“.
Eine ganze Weile später – mittlerweile sind wir in das Büro des ranghöchsten Generals eskortiert worden – wird uns unser „big problem“ bewusst. Im wilden Stempelmarathon an der iranisch-irakischen Grenze, ist sowohl in Jans wie auch in Gretas Pass ein „driver stempel“ gesetzt worden. Jan ist tatsächlich das Fahrzeug über die Grenze gefahren, Greta ist allerdings die Halterin des Fahrzeugs. Kurzum zwei Fahrer, aber nur ein Fahrzeug. Man unterstellt uns, dass wir das zweite Fahrzeug auf unserem Transit durch den Irak verkauft und zu richtig viel Geld gemacht haben. Nun sind wir so naiv und versuchen mit nur einem Fahrzeug und einem Koffer voller Geld, das Land zu verlassen. Was amüsant klingt, entpuppt sich in den folgenden Stunden tatsächlich als „big problem“. Dieses wird nach erfolglosen Schmiergeldversuchen unsererseits und immer mehr lauten und unangenehmen Diskussionen auf arabisch so groß, dass unsere irakischen Visa annulliert werden. Ohne Pässe und mit einem potenziell fehlenden Fahrzeug stehen wir nun da. Das ist der Moment, als wir die Notfallnummer der deutschen Botschaft in Bagdad wählen. Erwartet nur nicht, dass an jenem Tag jemand abnimmt oder uns später zurückruft.
Mitten in der Nacht machen wir uns also zurück auf den Weg zur iranischen Grenze, an der der Stempelfehler unterlaufen ist. Dort sollen wir das Problem lösen. Selten haben wir auf unserer Reise so geschwitzt, wie auf den insgesamt 300 km, die wir extra durch den Irak touren. Wir passieren in jener Nacht unzählige schwer bewaffnete Checkpoints, zwar wieder im Besitz unserer Pässe, aber dank annulliertem Visum in einem Einreise-Nirvana. Wie sollen wir bitte erklären, dass wir zwar im Irak sind, aber ohne gültiges Visum? Irgendwer erhört unsere Gebete und wir werden tatsächlich an keinem Checkpoint kontrolliert.
Zurück an der iranisch-irakischen Grenze muss Greta beim Fahrzeug bleiben und wird zur Sicherheit in rot-weißes Flatterband „eingesperrt“. Jan verschwindet mit einer ganzen Armada an Grenzbeamten, die natürlich mittlerweile aus einer neuen Schicht kommen und von nichts wissen, in der Grenzstation. Eine ganze Weile und viel Überzeugungsarbeit später, ist der Eintrag in Jans Pass dann tatsächlich korrigiert und sein „driver stempel“ mit einem fetten „cancelled“ überdeckt. Greta wird währenddessen mit diversen Tassen Chai, dieses Mal aus der privaten Thermoskanne des obersten Zöllners (in jedem Fall hygienischer als die Sammeltasse am Morgen!) versorgt. Mit korrigierten Papieren machen wir uns auf den Weg zurück zur irakisch-kuwaitischen Grenze. Auch auf dem Rückweg passieren wir alle Checkpoints souverän mit einem freundlichen Lächeln und müssen unsere Pässe nicht vorzeigen.
Zurück an der irakisch-kuwaitischen Grenze ist es Chefsache des ranghöchsten Generals, uns abzuwickeln. Vor lauter Erstaunen oder vielleicht auch Freude, dass wir in einem Stück wieder da sind, stempelt er wild in unseren Dokumenten herum. Wir haben nun beide diverse Ein-und Ausreisestempel, von denen alle, bis auf einen wieder gecancelled wurden (mehr benötigen wir ja nicht, wie er dann selber merkt) in unseren Pässen.
Es ist mittlerweile kurz vor Sonnenaufgang, als wir zurück an jenem Schlagbaum sind, an dem alles begann. Natürlich wartet auch hier ein neuer Zöllner auf uns, der erst einmal bestochen werden möchte. Zum Glück sind wir beide so in Fahrt, dass wir ihm auf sämtlichen Sprachen, die wir im Portfolio haben erklären, dass er von uns heute bestimmt kein Schmiergeld mehr bekommt. Wir haben echt die Faxen dicke. Unter lautem Schimpfen des Grenzbeamten öffnet sich so dann irgendwann endlich (!) der Weg für uns nach Kuwait.
Wir sind im sicheren Hafen angekommen. Unglaublich! Nach der Odyssee kann uns nichts mehr schocken. Willkommen in Kuwait. Die kuwaitischen Grenzbeamten haben in der Nacht zu unserer großen Freude richtig viel Zeit und kein Erbarmen mit uns. Sie nehmen es mit der Fahrzeugkontrolle sehr genau und verlangen, dass wir unser komplettes Fahrzeug ausladen sollen. Diskussion oder Widerstand zwecklos, die Grenzer packen stattdessen sogar selbst mit an.
Als die Sonne schon wieder aufgeht, rollern wir total übermüdet an einer kuwaitischen Tankstelle rechts ran, um wenigstens ein paar Stunden Schlaf zu finden. Offensichtlich sehen wir so fertig aus, dass der Tankwart uns noch mit einem Sandwich und einem Tee aus seinem Shop versorgt.
Am nächsten Tag müssen wir noch einmal zurück zur kuwaitischen Grenze. In der Nacht haben die Zöllner unser Carnet de Passage leider nicht korrekt abgestempelt. Aber was ist ein kurzer Umweg von 50 km im Vergleich zu den Erlebnissen der letzten Nacht. Als alle Papiere korrekt abgestempelt sind, können wir uns endlich auf den Weg nach Kuwait City machen. Es sind mehr als 30 Stunden vergangen, seitdem wir die iranisch-irakische Grenze überschritten haben.
Es dauert eine Weile, bis wir realisieren, wo wir sind. Nicht nur in Kuwait, sondern auch zurück in der westlichen Welt. Mit Blick auf die Skyline von Kuwait City lassen wir das Erlebte erst einmal sacken. Wir kaufen in glänzenden Shopping Malls und sauberen Supermärkten mit gigantischer Auswahl ein. Das letzte Mal, dass wir einen Supermarkt mit dieser Auswahl hatten, ist eine Weile her. Was für ein Kontrast zu den staubigen Märkten im Iran. Alles ist auf einmal wieder sauber und ansprechend verpackt … kostet dafür aber auch wieder ein Vielfaches. Für unseren ersten Einkauf (2 Becher Joghurt und ein Brot) zahlen wir über 10 Dollar.
Über 70% der kuwaitischen Bevölkerung lebt in der Hauptstadt Kuwait City. Uns trifft der organsierte Trubel im ersten Moment wie ein Schlag. Auch in Kuwait erwecken wir viel Aufmerksamkeit. Anders, als im Iran zum Beispiel, aber primär unseres Fahrzeugs wegen. „You came all the way from Germany with this car? Wow!” hören wir mehr als einmal. Gefolgt natürlich von einem herzlichen “Welcome to Kuwait!“.
Den Kuwaitis scheint es ein Anliegen zu sein, uns nicht nur herzlich willkommen zu heißen, sondern uns auch reich zu beschenken. So finden mal wieder unzählige Granatäpfel und Datteln ihren Weg zu uns, aber auch ganze Einkaufstüten voller Lebensmittel. Für unseren Ölwechsel dürfen wir nichts bezahlen. Zum Dank, dass wir die lokale Werkstatt ausgewählt haben, werden wir noch schnell zum Mittagessen eingeladen. Unser Motoröl im Shop nebenan dürfen wir immerhin bezahlen, natürlich aber mit einem großzügigen Rabatt.
In Kuwait bekommen wir zum ersten Mal einen Eindruck davon, wie heiß es wohl auf der arabischen Halbinsel im Sommer werden kann. Die Sonne brennt jetzt schon ohne Erbarmen. So genießen wir freiwillig Zeit in klimatisierten Restaurants, schlürfen bei Starbucks und Co. einen Espresso kehren sogar beim Goldnen M ein. Irgendwie haben wir die westliche Welt dann doch vermisst.
Zufällig fliehen wir vor der Hitze in die Große Moschee von Kuwait City und können an einer Führung teilnehmen. Hier ist der Name Programm. Das Gesamtareal der Moschee umfasst 45.000 Quadratmeter und bietet mehreren tausenden Menschen Platz zum Gebet. Wie bei vielen Dingen in Kuwait wird hier nicht gekleckert, sondern gleich geklotzt!
Auf dem Weg zur Grenze nach Saudi-Arabien besichtigen wir noch ein Ölmuseum, dass einer der staatlichen Raffinerien angeschlossen ist. Selbstverständlich ist der Eintritt für uns kostenlos. Ein sehr lehrreicher Besuch, der nicht nur die Geschichte des Öls, sondern auch traurige Aspekte, wie den Angriff des Iraks auf Kuwait ihm Rahmen des zweiten Golfkriegs beleuchtet.
Auch, wenn es im kleinen Emirat Kuwait für uns nur verhältnismäßig wenig zu entdecken gab, es war ein perfekter und entspannter Einstieg in die Arabische Halbinsel. Nun sind wir gespannt, was der flächenmäßig große Nachbar Saudi-Arabien für uns zu bieten hat.
Greta // 27. Februar 2024 // Doha, Katar
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